Lechtaler & Allgäuer Alpen: Ehrwald – Lechtal – Hinterstein [ 05. – 13.09.2021 ]
Der Norden Tirols und die südlichste Ecke Deutschlands waren in diesem Jahr das Ziel unserer alpinen Trekkingtour. Wir wanderten über verschiedene Berggruppen der Lechtaler Alpen von Ehrwald über Biberwier, Berwang und Namlos ins Lechtal, von dort durch die Allgäuer Alpen über Hinterhornbach nach Hinterstein und Oberjoch. Meist waren wir dabei auf wenig bekannten, sehr einsamen Höhenwegen unterwegs und hatten dadurch – bis auf wenige Ausnahmen – die bestiegenen Gipfel exklusiv für uns.
[ Landkarte mit den Tagesetappen ]
Wie schon im Vorjahr hatten wir die Tour ohne Hüttenunterkünfte konzipiert, übernachteten stattdessen in Talorten. Dies bescherte uns natürlich zusätzliche Höhenmeter beim morgendlichen Aufstieg und abendlichen Abstieg. Außerdem mussten wir einige Tagesstrecken gegenüber unserer ursprünglichen Idealvorstellung modifizieren, da manche Gasthöfe nicht bereit sind, Gäste für nur eine Nacht zu beherbergen.
Von Ehrwald über die Coburger Hütte nach Biberwier Wir starten zu unserer Tour am Fuß der Zugspitze, in Ehrwald, das wir am Vorabend per Bahn erreicht hatten. Über den ›Hohen Gang‹, einen steilen, teilweise drahtseilversicherten Bergpfad, steigen wir zum malerisch gelegenen Seebensee hoch. Wochenende und gutes Wetter, daher ist es auf dem Steig nicht besonders einsam. Am See nimmt dann die Personendichte nochmals merklich zu, denn er ist über einen Forstweg auch per Fahrrad erreichbar. Und der Pedelec-Boom ist auch hier deutlich zu sehen, der ›Moped‹-Anteil beträgt schätzungsweise 95 %. Am Ufer des ›einsamen‹ Bergsee hat man einen wunderschönen Ausblick auf die Zugspitze, die sich im klaren Seewasser spiegelt. Vom Pedelec-Parkplatz am Seeende führt ein steiniger Bergweg zur etwa 250 Meter höher gelegenen Coburger Hütte, auf der sich die Gäste heute drängen. Die Hüttenpächter können dem Pedelec-Boom sicher viel Positives abgewinnen . . .
Kurz nach der Hütte wird es wesentlich ruhiger, denn der Weiterweg wird etwas beschwerlich – von der Biberwierer Scharte führt er steil abwärts ins Tal nach Biberwier. Überdies ist der Weg aktuell wegen eines Bergrutsches offiziell gesperrt. Glücklicherweise ist der Rutsch in einem Schotterfeld, bei seiner Umgehung begeben wir uns mithin ›nur‹ in Rutsch-, nicht in Absturzgefahr.
Über Grubigstein und Gartnerwand nach Berwang Von Biberwier steigen wir auf einsamen schmalen Wegen zum Grubigstein hoch, zunächst durch steilen, dichten Bergwald, bis wir an die Baumgrenze kommen. Dort wird die Gegend offener, Lifte und Schneekanonen zeigen an, dass wir das Skigebiet von Lermoos erreicht haben. Da die Grubigsteinbahn auch im Sommer läuft, ist es in der Umgebung der Bergstation und an der Grubigsteinhütte dann vorbei mit der Einsamkeit. Wir wandern weiter – hoch zum Gipfelkreuz und anschließend über den Verbindungsgrat zum Gartnerwandgipfel. Ab da sind wir wieder alleine. Teils direkt auf der Gratschneide über der steil abfallenden Nordwand, teils südseitig im häufig etwas losen Fels oder Schotter führt der Weiterweg über den Westgrat der Gartnerwand zum Bichlbächler Jöchle. Problemstellen sind meist gut versichert, so dass man überall mit einem sicheren Gefühl kraxeln kann. Auf ›freundlichem‹ Wanderweg erreichen wir vom Joch aus den kleinen Talort Bichlbächle und schließlich Berwang.
Thanellerüberschreitung In Berwang gönnen wir uns eine Tagestour mit kleinem Gepäck. Wir fahren mit dem Bus nach Heiterwang und wandern von da zum Thanellerkar auf der Nordseite des Thaneller. Dort beginnt ein versicherter Steig zum Thanellergipfel, der Werner-Rietzler-Steig, der in einer Beschreibung bei Outdooractive so charakterisiert wird: »Nach steilem Anstieg über das Thanellerkar geht es sehr ausgesetzt, teilweise kletternd (Schwierigkeit 2) und meist ohne Sicherungen diagonal durch die Nordwand. Von unten sieht diese aus wie eine kompakte Wand, oben entpuppt sie sich dann als gestuftes Gelände, das von steilen Rinnen durchzogen ist. Der Weg führt sehr geschickt über Bänder und Aufschwünge zum aussichtsreichen Gipfel.« Naja, so ungefähr ist das. Auf dem Steig sind wir alleine, oben ist dann deutlich mehr Betrieb, da von Berwang ein schöner Wanderweg auf den Gipfel führt. Die Aussicht von oben ist überwältigend; da der Thaneller nahezu freistehend ist, bietet er von seinem 2340 m hohen Gipfel einen umfassenden Rundblick ins Allgäuer Alpenvorland, auf Heiterwanger See und Plansee, aufs Zugspitzmassiv und und und . . . Für den Rückweg ins Tal nehmen wir dann auch den besagten Wanderweg, der als ›Normalweg‹ von Berwang aus auf den Thaneller führt.
Auf dem Reuttener Höhenweg zur Knittelkarspitze Von Berwang aus wandern wir, meist dem Verlauf der Landstraße folgend, zunächst talwärts nach Rinnen und von dort weiter zum kleinen Ortsteil Rauth am Rotlech. Ein kurzes Fotoshooting am Rotlechwasserfall, dann führt unser Weg auf die andere Bachseite und dort wieder bergauf. Teils auf steilen Waldpfaden, teils auf Forstwegen erreichen wir die hoch über dem Tal gelegene Ehenbichler Alpe. Von der Alm geht es flacher über Almgelände, bisweilen weglos, zum Galtjochgipfel. Hier beginnt der Reuttener Höhenweg, der zunächst als harmloser Wiesenweg bis zum Fuß der Vorderen Steinkarspitze verläuft. Ab da wird es steiniger, über zahlreiche Felszacken kraxeln wir weiter, mal rechts, mal links vom schmalen Grat, mal obendrauf, auf beiden Seiten steil abfallendes Gelände. Heikle Stellen sind jedoch meist durch Drahtseile abgesichert, teilweise durch Stahlklammern entschärft; ein kritischer Steilabstieg wird durch eine ca. 10 m hohe Eisenleiter erleichtert. So erreichen wir nach der Vorderen die Hintere Steinkarspitze und kommen an die Flanke der Knittelkarspitze. Hier müssen wir in einigen Rinnen und Kaminen wieder etwas Hand anlegen, bis wir auf einen flacheren Grat gelangen, der über Wiesen- und Schrofengelände zum Gipfel dieses höchsten Bergs der Liegfeistgruppe führt.
Nachdem wir die weite Aussicht hinreichend gewürdigt haben, machen wir uns an den Abstieg Richtung Namlos. Der gut markierte Abstiegsweg führt am felsigen Südgrat entlang bis zum Schönjöchl, ab da durch Latschenfelder und schrofige Wiesen. Hier ist der Weg manchmal etwas schwierig zu erkennen, da ganz offensichtlich wenig begangen. Später erfahren wir, dass sich vor einigen Wochen ein Bergsteiger dort verirrt und die Bergrettung angefordert hat. Er wurde letzlich – wohl aus Zeitnot – per Helikopter gerettet. Durch steilen Bergwald erreichen wir schließlich Namlos. Da es keine Busverbindung gibt, erkundigen wir uns dort nach einer anderen Fahrtmöglichkeit zum Lechtal – erfolglos. Das nächste Taxiunternehmen wäre wohl erst in Reutte zu finden. So versuchen wir zu trampen – mit Erfolg; das erste Auto, das auf der wenig befahrenen Landstraße vorbeikommt, hält sofort an. Es ist der Ortsbürgermeister von Namlos, der zu einem Politikertreff in Reutte unterwegs ist. Von ihm erfahren wir, dass sich Namlos touristisch der ›Zugspitzarena‹ zugehörig fühlt und daher kein Bedarf an einer Verbindung ins Lechtal besteht. Er nimmt uns mit bis Stanzach, von dort kommen wir mit dem Bus nach Häselgehr, wo wir über Nacht bleiben.
Wannenspitzeüberschreitung Wir bleiben zwei Nächte in Häselgehr, daher heute wieder eine Tagestour mit leichterem Rucksack. Unser Ziel ist die Wannenspitze*, einer der vielen relativ unbekannten und dadurch auch wenig besuchten Aussichtsberge im Lechtal. Wir stapfen durch steilen Bergwald östlich von Häselgehr bergauf, nach etwa 1000 Aufstiegsmetern lichtet sich der Wald, wird durch Latschenfelder abgelöst. Vor uns ragt die felsig-schroffe Nordwand der Wannenspitze in die Höhe. Wir umgehen diese abweisende Seite und queren durch die abschüssige Westflanke. Hier ist der Weg teilweise recht unangenehm, steil und mit feinem Schutt bedeckt – ein Test für den Sohlenhalt unserer Wanderschuhe. So sind wir froh, als wir wieder griffigeren Fels und nach kurzer einfacher Kletterei das Gipfelkreuz erreicht haben. Auf dem Grat gehen wir weiter, passieren die Karlesspitze und kommen zum Lagjoch. Von dort führt ein schmaler Pfad an den steilen Grashängen der beiden Zwickspitzen entlang. Er sieht vertrauenswürdig aus und so gelangen wir auf ihm zu einem breiteren und weniger steilen Wiesenrücken an der Westseite der Südlichen Zwickspitze, über den wir wieder die Waldgrenze erreichen. Noch ein Stückchen problematischer Wegfindung und ein kleiner Verhauer, dann sind wir an der Griesbachalm. Talaus auf dem Almweg bis ins Lechtal zieht es sich dann ein wenig.
*: Tourenvorschlag aus dem Rother-Band ›Wilde Wege Allgäu - Lechtal‹ von Mark Zahel.
Vom Lechtal über die Hornbachkette nach Hinterhornbach Bei bewölktem Wetter überqueren wir heute die Hornbachkette. Aus dem Lechtal hoch umwandern wir – meist auf Forst- und Almwegen – in einem großen Bogen den Häselgehrer Berg und gelangen ins Haglertal. Vom Haglertalweg biegt unsere Route dann nordwärts ab, führt zunächst sanft aufwärts durch Latschenfelder, wird zunehmend steiler und erreicht über ein Schotterkar das Griesschartl auf gut 2400 m. Ab hier folgen wir dem Enzensbergerweg, einem Höhenweg, der von der Hermann-von-Barth-Hütte über das Kaufbeurer Haus nach Hinterhornbach führt. Laut Bergsteiger ›Ein zu Unrecht vergessener Klassiker durch den zentralen Teil der Hornbachkette in den Allgäuer Alpen‹. Auf teilweise recht ausgesetztem, aber dort immer gut versicherten Steig gelangen wir zur etwa 100 m höher liegenden Schwärzerscharte, dem höchsten Punkt des Enzensbergerwegs. Es ist auch unser höchster Punkt, sowohl heute wie auch auf der gesamten Tour. Den kurzen Abstecher zur Bretterspitze ersparen wir uns, da die Sicht nicht besonders gut ist und da außerdem für den Nachmittag Regen vorhergesagt ist. So machen wir uns gleich an den im oberen Bereich steilen schottrigen Abstieg durchs Urbeleskar. Weiter unten dann angenehmeres Almgelände rund um das Kaufbeurer Haus, einer Selbstversorgerhütte des Alpenvereins. Der Hüttenweg ins Hornbachtal führt uns zunächst durch steileres Latschengelände, dann durch Wald nach Hinterhornbach. Kurz bevor wir den Ort erreichen, fallen die ersten Regentropfen.
Am Hochvogel vorbei nach Hinterstein Durch noch regennasse Wiesen und Wälder steigen wir von Hinterhornbach aus auf schmalem Wanderweg aufwärts Richtung Norden. Alle Gipfel ringsum sind noch durch tiefhängende Wolken verhüllt, aber der Regen hat aufgehört. Oberhalb der Waldgrenze erreichen wir das Kuhkar, durch das wir zum Fuchsensattel queren. Ab da führt der Weiterweg zunächst abwärts ins Fuchskar und an der schroff abfallenden Nordostflanke des Hochvogels entlang, dann wieder steil bergauf durch den Kalten Winkel zur Balkenscharte. Dort treffen wir auf den Hauptaufstiegsweg zum Hochvogel, und es wird merklich bevölkerter. Der Hochvogel ist schließlich einer der bekanntesten Allgäuer, durch das Luitpold-Haus bequem erschlossen, und es ist Wochenende. Die Schuttrinne unterhalb der Balkenscharte ist durch eine Alu-Treppe entschärft, und auch der Weiterweg zum Luitpold-Haus ist recht gut ausgebaut. Man merkt, dass man sich in einer vielbesuchten Ecke der Allgäuer Alpen befindet. Das wird auch an der nahezu voll besetzten Terrasse der Berghütte deutlich. Wir halten uns nur kurz auf und steigen auf dem Hüttenweg, später auf der Fahrstraße, zum Giebelhaus ab. Von dort fahren wir mit dem Bus nach Hinterstein, ersparen uns so einen längeren Talhatscher.
Von Hinterstein auf Heubatspitze und Rotspitze Noch eine Rundtour mit leichterem Rucksack, auf einsamem Wanderweg* steigen wir zum Almengebiet rund um die Eckalpe und die Wiesloher Hütte oberhalb des Hintersteiner Tals hoch. Von dort führte früher wohl mal ein Weg zum Hasenecksattel; wir sehen zu, dass wir sicher über die nicht allzu steile Wiese kommen. Am Sattel treffen wir auf einen stärker begangenen Wanderweg, das Ende des Hindelanger Klettersteigs, auf dem wir die Heubatspitze erreichen. Statt diese in Richtung Breitenberg zu überschreiten, folgen wir dem Verbindungsgrat von der Heubatspitze zur Rotspitze bis zu deren Gipfel. Der Abstiegsweg auf der Nordseite verläuft zunächst direkt auf dem Grat, biegt dann in die steile Flanke ab. In vielen Serpentinen führt er durch Latschengelände zum Almgebiet Häbelesgrund, unterhalb davon durch Bergwald vollends ins Tal. Über Forstwege wandern wir nach Hinterstein zurück.
*: Erster Teil der Runde nach einem Vorschlag aus dem Rother-Band ›Wilde Wege Allgäu - Lechtal‹ von Mark Zahel.
Über den Iseler nach Oberjoch Vor der Heimfahrt haben wir noch einen halben Tag Zeit, so beschließen wir, noch den Iseler ›mitzunehmen‹. Wir wandern von Hinterstein aus auf einem gut ausgebautem Wanderweg steil bergauf, meist mit reizvollen Ausblicken nahe an den Zipfelbach-Wasserfällen entlang. Nachdem die Steilstufe überwunden ist, wird der Weg flacher, über Almgelände kommen wir zur Zipfelsalpe. Am Ende wieder durch steilere Latschenfelder erreichen wir schließlich den Iselergipfel. Dort ist heute natürlich ›der Bär los‹, herrliches Spätsommerwetter hat viele Touris auf den bekannten Aussichtsgipfel gelockt, von der Bergstation der Seilbahn sind es nur etwa 300 Höhenmeter. Glücklicherweise bietet das felsige Gipfelplateau genügend Platz für ausreichende Abstände, und so können wir noch ausgiebig die weite Aussicht genießen, bevor wir uns auf die Heimfahrt mit Bus und Bahn machen.