Italien: Vom Brenner nach Rom  [ 29.05. – 09.06.2019 ]

Ziel erreicht: Rom Großansicht öffnen

Wir haben das Ziel erreicht: Rom

»Alle Wege führen nach Rom« sagt eine bekannte Redewendung. Das wollten wir auch mal ausprobieren. Bis zur italienischen Grenze am Brennerpass mit der Bahn, ab da per Fahrrad. Bei der Routenwahl für die Fahrradstrecke hielten wir uns weitgehend an einen von der Federazione Italiana Ambiente e Bicicletta ausgearbeiteten Vorschlag, die »Ciclopista del Sole«. Dieser Radfernweg führt auf mehr oder weniger verkehrsarmen Nebenstraßen, teilweise auch auf Rad- und Landwirtschaftswegen, über etwa 3000 km durch ganz Italien, inklusive Sizilien und Sardinien. Etwa ein Drittel davon, rund 1000 km, ist das Teilstück vom Brenner bis Rom.

[ Landkarte zur Tour ]

Mit dem Nachtzug der ÖBB waren wir von Düsseldorf nach Innsbruck gefahren, weiter mit der S-Bahn zur italienischen Grenze am Brennerpass. Die Tour beginnt dort äußerst angenehm – auf gut ausgebautem Radweg, teilweise eine alte Bahntrasse, können wir es bis Bozen zügig durchs Eisacktal rollen lassen. Malerische Südtiroler Städtchen wie Sterzing und Brixen laden unterwegs zur Besichtigung und zur Kaffeepause ein.

Auch nach Bozen geht es zügig weiter am Fluss entlang (inzwischen ist es die Etsch) nur von wenigen Pausen unterbrochen. Beispielsweise in Trento, der drittgrößten Stadt der Alpen und Hauptstadt der Provinz Trentino, mit ihrer historischen Innenstadt. Bevor wir dann die Alpen hinter uns lassen, wartet ab Rovereto doch noch ein ganz klein wenig Arbeit auf uns, über den Passo San Giovanni wechseln wir vom Etschtal zum Gardasee. »Pass« ist allerdings eine deutliche Übertreibung – es sind nur knapp 100 Höhenmeter Anstieg, bis wir wir den Bilderbuchausblick zum tief in die Berge eingeschnittenen See genießen können. Leider ist dort der neue Radweg am westlichen Steilufer des Sees noch nicht durchgängig fertiggestellt, der teilweise recht spektakulär direkt an der Felswand hängt. So müssen wir die verkehrsreiche Uferstraße auf der Ostseite nehmen, sind dann froh, als wir am Südende des Sees wieder auf kleinere Sträßchen ausweichen können.

Auf wenig befahrenen Nebenstraßen radeln wir auch durch die Po-Ebene, häufig an kleinen Flüssen und Kanälen entlang. Die Gegend ist flach, landwirtschaftlich geprägt, relativ eintönig. Wir schauen uns Mantua an, eine Stadt mit langer wechselvoller Geschichte, überqueren irgendwo den Po und erreichen schließlich Modena am Südrand der Po-Ebene. Hier beginnt der anstrengendste Abschnitt der Tour, die Überquerung der Apenninen. Von etwa Meereshöhe in der Po-Ebene kurbeln wir auf kurven- und steigungsreichen Landstraßen bis auf 1000 m hoch. Zum Ausruhen gibt es zwischendrin immer mal wieder kürzere oder längere Abfahrten. Hin und wieder, meist an Flüssen entlang, finden wir auch Radwege, landen da aber meist in grobem Geröll. So wechseln wir jedes Mal gerne wieder auf die bequemere Landstraße zurück. In einer letzten rasanten Abfahrt erreichen wir kurz vor Prato dann fast wieder Meereshöhe.

Die Gegend um Prato in der im Vergleich zu Florenz kühleren Randlage der Berge war zu Zeiten der Medicis für die begüterteren Florentiner eine beliebte Lage für »Zweitwohnsitze«. Einige dieser ehemals prunkvollen Villen sind originalgetreu restauriert, und man kann sich dort ein Bild davon machen, in welch luxuriöser Umgebung die Reichen und Schönen des damaligen Florenz Wochenenden und Sommerferien verbrachten. Wir erreichen schließlich den Arno, an seinem Ufer entlang fahren wir in die Innenstadt von Florenz. Dort bleiben wir einen Tag, tauchen ein in den Strom der TouriMassen (es war noch vor Corona) und lassen uns an den vielen Sehenswürdigkeiten entlang treiben.

Von Florenz aus führt die Route nach Arezzo, meist im Arno-Tal, teilweise aber auch etwas abseits davon durch toskanatypische Weinbaugegenden mit reizvollen Anstiegen und Abfahrten. In Arezzo beginnt dann der »Sentiero della Bonifica« [dt.: »Route der Trockenlegung«], 60 km Schotter- und Wiesenwege durchs Chiana-Tal am Canale Maestro della Chiana entlang. Etwas staubig zwar, aber mit dem Trekkingrad gut zu fahren. Das Tal war früher ein Sumpfgebiet, wurde im späten Mittelalter trockengelegt – dafür wurde der Kanal gebaut – und ist seitdem fruchtbares Ackerland. Der Sentiero war ursprünglich zur Unterhaltung des Kanals angelegt worden und ist heute Rad- und Wanderweg. Allerdings ohne Infrastruktur und völlig abgeschieden; die Einsamkeit wird allenfalls hin und wieder durch einen »Frecciarossa« unterbrochen, der mit Tempo 300 auf der ebenfalls in der Talebene verlaufenden Schnellbahntrasse Bologna-Rom vorbeirast.

Wieder auf kleinen Landstraßen durch hügeliges Weinbaugebiet nähern wir uns Orvieto, das durch seine herausgehobene Lage auf einem Felsplateau schon von weitem sichtbar ist. Noch ein kurzer Anstieg, dann haben wir die Altstadt auf dem Plateau erreicht. Wie auch in vielen anderen touristisch interessanten Kleinstädten ist tagsüber in der historischen Innenstadt viel Betrieb; zum Abend hin wird es angenehm ruhig, dann haben die Ausflugsbusse ihre Fracht wieder in die größeren TouriZentren zurückgebracht. Es lohnt sich daher, in solchen Städtchen erst am späten Nachmittag anzukommen und über Nacht zu bleiben.

Recht hügelig bleibt es auch auf dem Weiterweg durch die Region Latium bis kurz vor Rom. Statt steigungsarm im Tibertal zu bleiben, gönnen wir uns einen Schlenker durch das Vulkangebiet bei Viterbo. Die Vulkane dort hatten vor einigen hunderttausend Jahren ein kleines Mittelgebirge aufgeworfen, das am Monte Cimino eine Höhe von über 1000 Metern erreicht. Einige hinterließen riesige Calderen, die sich inzwischen mit Wasser gefüllt haben und nun beliebte Badeseen sind, von Rom in kurzer Autofahrt erreichbar. Zwei der Seen schauen wir uns an, den Lago di Vico und den Lago di Bracciano, dann radeln wir wieder Richtung Tiber. Den erreichen wir am äußeren Autobahnring von Rom. Ab dort bringt uns ein exzellent ausgebauter Radweg nahezu kreuzungsfrei am Tiber-Ufer entlang bis zum Petersdom im Stadtzentrum.

Natürlich ist in Rom wieder ein Besichtigungstag fällig, denn Kolosseum, Forum Romanum, Spanische Treppe, Trevi-Brunnen und und und sind einfach ein »must«. Und so reihen wir uns halt auch ein in die langen Schlangen der Touris aus aller Welt, die von der überbordenden Reiseindustrie davon überzeugt worden waren, dass man alte Steine unbedingt im Original gesehen haben muss. Insbesondere, wenn sie zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören . . .

Für die Heimfahrt hatten wir eine passende Bus-Bahn-Kombination gefunden: Mit FlixBus über Nacht von Rom nach München, von dort weiter mit der ICE-Verbindung München-Hamburg, damals über Osnabrück. Der dort eingesetzte neue ICE 4 hat erstmals auch ein paar Fahrradstellplätze. Nur acht zwar, aber wir hatten das Glück, zwei davon zu bekommen.