Durchs bayerisch-tschechisch-österreichische Grenzgebiet [ 14.08. – 21.08.2021 ]

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Unterwegs im Böhmerwald

Von Nürnberg durch die Oberpfalz zum Bayerischen Wald, durch den Böhmerwald zur Moldau, von da durch Südböhmen ins österreichische Waldviertel und weiter durch die Wachau zur Donau führte uns diese Radtour – durch eindrucksvolle Landschaften, die einst durch den ›Eisernen Vorhang‹ getrennt wurden und somit damals relativ unzugänglich waren. Die Regionen in Grenznähe sind immer noch relativ dünn besiedelt, aber durch kleine Sträßchen und Forstwege, oft auch ehemalige Militärstraßen, gut erschlossen, somit ideal für Radtouren.

[ Landkarte zur Tour ]

Oberpfalz Wir starten zu unserer Tour in Nürnberg, das wir am Vorabend per Bahn erreicht hatten. Wie so häufig bei größeren Städten ist die Fahrt durch die nähere Umgebung relativ trist, und wir sind froh, als wir die Vororte hinter uns haben und ab Feucht etwas mehr ›Landschaft‹ sehen. Bei Unterölsbach erreichen wir den Schweppermann-Radweg, dem wir nun im Wesentlichen folgen. Zwischen Lauterhofen und Amberg verläuft der Radweg meist auf einer ehemaligen Bahntrasse, steigungsarm und daher angenehm zu fahren. In Amberg sind die wichtigen Sehenswürdigkeiten natürlich ein Muss: Das Wahrzeichen der Stadt, die ›Stadtbrille‹ – ein doppelter Torbogen über die Vils, die historische Altstadt mit dem gotischen Rathaus und die Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen.

Von Amberg aus radeln wir weiter ostwärts, ab Schwarzenfeld wieder auf einer ehemaligen Bahntrasse, die uns in sanfter Steigung, allerdings meist auf ›Gravel‹, bis Oberviechtach bringt. Auf kleinen Landstraßen kommen wir von dort nach Waldmünchen, das an der Grenze zwischen Oberpfalz und Bayerischem Wald in unmittelbarer Nähe zu Tschechien liegt.

Bayerischer Wald In Waldmünchen beginnt dann auch gleich die erste kräftigere Steigung zum Nordic Center bei Althütte und auf die Kuppe des Dachsriegels. Von dort können wir eine rasante Abfahrt zum 400 m tiefer gelegenen Furth im Wald genießen. Über Nebenstraßen radeln wir durch das hügelige Vorland des Bayerischen Waldes, dann sanft aufwärts auf dem Radweg ›Grünes Dach‹. Ab Lohberghütte nehmen wir aber wieder die bequemere Landstraße zum Skigebiet des Großen Arber hoch. Der Gipfel liegt im Nebel, aber wir lassen es uns natürlich nicht nehmen, die Räder stehen zu lassen und den mit seinen 1450 m höchsten Berg dieses Gebirgszugs zu Fuß zu ersteigen. Oben bläst uns ein kühler Wind kräftig durch, und die Aussicht ist durch Nebel und tiefhängende Wolken deutlich beeinträchtigt. So halten wir uns dort nicht allzu lange auf, steigen wieder ab und fahren zügig talwärts nach Zwiesel.

Südöstlich von Zwiesel erstreckt sich direkt an der Grenze zu Tschechien der Nationalpark Bayerischer Wald, der erste Nationalpark Deutschlands. Zusammen mit dem daran anschließenden Biosphärenreservat Šumava gilt der Nationalpark als die ›größte zusammenhängende Waldschutzfläche Mitteleuropas‹ (Wikipedia). Durch den Park verläuft der Nationalpark-Radweg mit einer Gesamtlänge von etwa 100 km, 65 % davon auf unasphaltierten Forstwegen, und gut 1700 Höhenmetern Anstieg. Die Webseite Bayernbike sagt unter anderem dazu: ›Wer nicht schubunterstützt auf einem E-Bike sitzt, sondern klassisch die Kurbel schwingt und dabei die Beinmuskulatur sprechen lässt, benötigt für die konditionell anspruchsvolle Strecke stramme Waden und gute Kondition.‹ Das hatte uns natürlich neugierig gemacht, und wir folgen ab Zwiesel dem Verlauf dieser Route. Landschaftlich reizvoll führt sie in stetem Auf und Ab zunächst auf der deutschen Seite entlang, meist auf Forstwegen – bei einigen heftigeren Gravel-Passagen weichen wir allerdings auf die parallel verlaufende Landstraße aus. Unterwegs kommen wir am gut besuchten Nationalparkzentrum vorbei und können auf dem Baumwipfelpfad dort ein wenig die Beine lockern. Ein langer Anstieg führt dann zur tschechischen Grenze auf knapp 1200 m Höhe. Etwa 30 km verlaufen anschließend durch den tschechischen Šumava-Nationalpark, dort nun meist auf bequemen Nebenstraßen, bevor der Nationalpark-Radweg am Dreiländereck bei Haidmühle endet.

Böhmerwald Von Haidmühle, das in einem der entlegensten Zipfel Ostbayerns liegt, wechseln wir wieder nach Tschechien und radeln auf einsamer Landstraße ein Stück am Oberlauf der Kalten Moldau entlang. Von dort geht es im abgeschiedenen Tal der Hučina, einem kleinen Zufluss der Kalten Moldau, wieder ein Stück bergwärts bis zum Schwarzenbergschen Schwemmkanal. Dieser Kanal verläuft mit minimalem Gefälle über etwa 50 km an den Hängen des Böhmerwalds entlang, zunächst im tschechischen, dann im österreichischen Teil. Er wurde am Ende des 18. Jahrhunderts angelegt, um Holz aus dem Böhmerwald zur Großen Mühl und weiter zur Donau zu schwemmen. Auf der wurde es nach Wien transportiert und – wegen der niedrigen Transportkosten – mit großem Gewinn als Brennholz verkauft. Als sich der Brennholzverkauf nicht mehr lohnte, verlor der Kanal an Bedeutung und verfiel teilweise. Heute sind große Teile in Böhmen als Baudenkmal wieder restauriert, die historische Begleitstraße ist zum Rad- und Wanderweg geworden. Wir folgen diesem Kanalweg ein gutes Stück, fahren dann wieder ins Moldautal. Dass man zwischendrin durch Österreich fährt, merkt man nur an der etwas aufdringlicheren Beschilderung.

Mittlere Moldau Eine rasante Abfahrt führt uns ans Ufer des Moldau-Stausees, des flächenmäßig größten Sees in Tschechien. Hier ist deutlich mehr Betrieb als auf den Höhen des Böhmerwalds – der See ist mit seiner Umgebung ein beliebtes tschechisches Urlaubsgebiet. An seiner Südseite radeln wir auf kleinen Sträßchen bis zur Staumauer, ab da verläuft eine Radroute direkt an der Moldau entlang weiter talwärts. Unterwegs verpassen wir leider eine Abzweigung, folgen Pfeilen, die wohl nicht für Tourenradler gedacht sind. So gibt es noch eine anstrengende Schiebepassage über Stock und Stein direkt am Moldau-Ufer. Wir finden schließlich zur Radroute zurück, die bis Vyšší Brod einer großen Moldauschleife folgt, dann etwas von der Moldau weg in die Höhe führt, den Fluss bei Rožmberk schließlich wieder erreicht.

Die mittlere Moldau zwischen Vyšší Brod und Budweis ist ein ideales Revier für Kanuten und Floßfahrer. Laut flusswandern.at ist es ›eine der am meisten bepaddelten Flussstrecken der Welt‹. Das scheint keineswegs übertrieben, die Zahl der Boote auf dem Fluss und die Zeltplatzdichte sind beeindruckend. Die Moldau fließt auf der gesamten Strecke relativ gleichmäßig, hin und wieder durch Wehre gezähmt, die fast alle durch gut ausgebaute Bootsrutschen umfahren werden können. An mehreren Stellen verengt sich das Tal, für Kanuten sicher eine romantische Abwechsung, für Radelnde dagegen etwas anstrengend, da die Radroute dort mit knackigen Anstiegen in die Umgebung ausweicht.

Meist doch direkt an der Moldau entlang radeln wir bis Krumlov, wo ein paar Felsen die Moldau zu ausgeprägten Schleifen zwingen. Offenbar ein idealer Ort für Stadt und Burg, die schon im frühen Mittelalter dort gegründet wurden. Danach mehrfach erweitert wurde das Ding irgendwann UNESCO-Weltkulturerbe und ist dadurch massiv überlaufen. Overtourism: ›Geschätzte zwei Millionen Besucher kommen jährlich‹ (mdr.de). Aber wenn man schon mal vorbeikommt...

Über die Hochebenen auf beiden Seiten der Moldau fahren wir weiter nach Budweis, weltbekannt durch das nach der Stadt benannte Getränk. Daneben gibt es in der Altstadt rund um den Hauptplatz eine beträchtliche Anzahl sehenswürdiger Bauwerke wie zum Beispiel das barocke Rathaus oder den Samson-Brunnen.

Östliches Südböhmen Kurz hinter Budweis verlassen wir die Moldau, fahren quer durchs Land in den östlichen Teil von Südböhmen. Die weitgehend flache Gegend dort ist geprägt durch ausgedehnte Wälder sowie viele kleinere und größere Teiche und Kanäle – Třeboň, einer der Hauptorte, ist ein Zentrum der südböhmischen Karpfenzucht. Viele kleine Landstraßen und gut ausgeschilderte Wirtschaftswege machen die Region zu einem idealen Urlaubsgebiet für Radlerinnen und Radler. Denen man dann auch ständig in größeren oder kleineren Gruppen begegnet, teils auf Rennrädern, teils auf Mountain-Bikes. Ein großer Anteil von Pedelecs, viele augenscheinlich fabrikneu, zeigt, dass dieser Modetrend inzwischen auch Tschechien voll erfasst hat. Am Spätnachmittag bevölkern die Radelgruppen den historischen Marktplatz von Třeboň, um dort nach ihrer Tour den Tag ausklingen zu lassen – meist bei einem landesüblichen Kaltgetränk. Dafür ist in Třeboň Bohemia Regent zuständig, eine der ältesten tschechischen Brauereien. Neben Bohemia Regent gibt es in Třeboň natürlich auch noch andere Sehenswürdigkeiten, die einen Besuch verdienen, so beispielsweise das Schloss, das historische Stadtzentrum oder das neugotische Mausoleum der Familie Schwarzenberg.

Östlich von Třeboň wird die Touri-Dichte nach und nach geringer, wir fahren durch endlos scheinende Wälder in der Nähe der Grenze zu Österreich, teilweise auf gut asphaltierten Forststraßen, teilweise auf Kies- oder Plattenwegen, später dann meist auf relativ einsamer Landstraße. Hier wurden in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts etliche kleine Dörfer den Grenzanlagen geopfert, die Bewohner – je nach Abstammung – umgesiedelt oder vertrieben. An einer dieser Wüstungen, Nový mlýn (Neumühle), kommen wir direkt vorbei; Mauerreste und eine einsame Nepomuk-Statue erinnern daran, dass es dort früher mal ein Dorf gab. Ein Stück restaurierter Grenzanlage zeigt, was stattdessen danach hier Sache war. Nachdem wir uns das historische Stadtzentrum von Slavonice mit seinen mit Sgraffiti geschmückten Hausfassaden angesehen haben, verlassen wir Tschechien und radeln auf der erst vor einigen Jahren zu einem Radweg ausgebauten Bahntrasse der Thayatalbahn südwärts ins österreichische Waldviertel.

Waldviertel Auf der Bahntrasse kommen wir sehr zügig voran, anschließend wird es hügeliger. Ab Zwettl halten wir uns weitgehend an den Kamptal-Radweg. Der verläuft allerdings zunächst nicht im Tal, sondern über hügeliges Gelände abseits vom Kamp. Ab Rosenburg bleibt die Route dann in Flussnähe im Tal, flach und mit stets leichtem Gefälle. Im Verlauf des Radwegs kommen wir an einer ganzen Reihe von Sehenswürdigkeiten vorbei, die einen kürzeren oder längeren Stop lohnen: Zwettl mit seiner historischen Altstadt, das Zisterzienserstift Zwettl, Burg und Stausee Ottenstein, Schloss Greillenstein, das Benediktinerstift Altenburg, Schloss Rosenburg, Gars am Kamp und schließlich Langenlois in der Wachau, die größte Weinstadt Österreichs.

Für die Rückfahrt per Bahn hatten wir schon frühzeitig eine bequeme Verbindung gebucht: St. Pölten – Hannover mit dem Nachtzug der ÖBB. Leider machte uns ein gewisser Claus Weselsky einen dicken Strich durch unsere Planung, die ÖBB ließ den Zug wegen des Bahnstreiks in Deutschland ausfallen. So mussten wir unter ziemlichem Zeitdruck eine Alternative suchen. Die wir glücklicherweise auch fanden: Der Nacht-Flixbus von Regensburg nach Düsseldorf hatte – neben freien Sitzplätzen – auch noch zwei freie Fahrradplätze...