Romantische Straße — Von den Alpen zur Rhön [ 14.07. – 23.07.2023 ]
Laut Wikipedia ist die Romantische Straße ›eine der ältesten, bekanntesten und
beliebtesten Ferienstraßen in Deutschland‹. Mit ihrer Gründung 1950 vefolgte man
das Ziel, Deutschland als Urlaubsland attraktiv zu machen. Damals dachte man natürlich
primär an Auto- und Bustouristen. Daher hält sich der Streckenverlauf an gut ausgebaute
Fernstraßen.
Alternativ dazu ist inzwischen ein Radfernweg ausgeschildert, der zwischen Füssen und Würzburg,
den beiden Endpunkten der Romantischen Straße, auf Nebenstraßen und Radwegen verläuft.
Für unsere Tour haben wir diese Radstrecke noch ein wenig verlängert — zum einen durch
eine Schleife von München aus durch die Bayerischen Voralpen nach Füssen, zum anderen durch
die Überquerung der Rhön von Würzburg nach Kassel.
Von München durch die Bayerischen Voralpen nach Füssen
Am Vorabend waren wir mit einem durchgehenden ICE, das heißt ohne die inzwischen
bei der DB leider unvermeidliche Umstiegsproblematik, nach München gekommen, bleiben da
über Nacht und können so stressfrei nach dem Frühstück losfahren.
Bad Tölz
Wir verlassen die Stadt auf angenehmen Wegen entlang der Isar, bleiben bis Pullach im Tal.
Dort überqueren wir den Fluss auf der berühmt-berüchtigten Großhesseloher Brücke, die mit ihren rund 30 m
Höhe über der Isar in der Vergangenheit eine gewisse Anziehungskraft auf Leute ausübte, die ihrem Leben ein
Ende setzen wollten. Beim Neubau 1985 wurde der kombinierte Rad/Fußweg komplett vergittert, das hat die
Zahl der Todesfälle dort deutlich verringert.
Ein wenig oberhalb der Isar durchqueren wir den Münchner Nobelvorort Grünwald, Wohnsitz vieler Prominenter,
deren bescheidene Hütten allerdings sorgfältig hinter dichten Hecken verborgen sind. Von Grünwald aus erreichen
wir auf Forstwegen den Isarkanal, an dem wir nun ein Stück entlang radeln. Die Radroute im Isartal verläuft auf
verkehrsarmen kleinen Sträßchen bis Wolfratshausen, wo wir die Isar über eine Brücke mit einer für solch eine
konservative Gegend außergewöhnlich modernen Brückenmadonna queren. Als diese Madonna 1990 aufgestellt wurde, war sie vielen
Anwohnern zu progressiv, da sie einer Frau mit Kind in der heutigen Zeit nachempfunden war. Es gab heftigen
Streit im Dorf, irgendwann wurde sie in die Isar geworfen, wieder gerettet und etwas versteckt in der Nähe
aufgestellt. Vor ein paar Jahren durfte sie dann wieder auf ihren ursprünglichen Platz auf der Brücke …
Der Weiterweg führt uns durch die Isarauen, dann hügeliger etwas oberhalb der Isar nach Bad Tölz.
Dort beeindrucken uns insbesondere die spätmittelalterlichen und barocken Häuser an der Marktstraße,
deren Fassaden mit aufwendiger Lüftlmalerei geschmückt sind. Bis Lenggries bleiben wir noch an der
Isar, biegen danach in das Seitental der Jachenau ab, wo wir im historischen Gasthof Jachenau
über Nacht bleiben.
Ein paar Kilometer weiter erreichen wir den Walchensee mit den bekannten Gipfeln Herzogstand, Fahrenbergkopf
und Heimgarten über dem gegenüberliegenden Ufer. Nach einem Stück auf der Uferstraße verlassen wir den
Walchensee mit Heimgarten, Fahrenbergkopf und Herzogstand
See wieder und kommen nach Wallgau, damit wieder ins obere Isartal. Der idyllisch gelegene kleine Ort ist
insbesondere durch den Biathlonsport bekannt geworden (Magdalena Neuer ist hier zu Hause).
Nach einem kurzen Anstieg bis Klais können wir dann die rasante Abfahrt in Loisachtal nach Garmisch-Partenkirchen
genießen. Es fällt recht schwer, unterwegs mal anzuhalten, um auch die Aussicht auf das Wetterstein-Massiv mit
Alpspitze und Zugspitze ausgiebig auf uns wirken zu lassen. Im Tal vermeiden wir das verkehrsreiche Garmisch
und mogeln uns durch den weniger frequentierten Teilort Partenkirchen daran vorbei.
Kurz danach verlassen wir das Loisachtal und erklimmen den Ettaler Sattel – auf der Bundesstraße,
den alten Saumweg wollen wir uns dann doch nicht zumuten. Oben erwarten uns die Touri-Highlights
Kloster Ettal und, ein paar Kilometer weiter, Schloss Linderhof, beide gut besucht.
Auch wir nehmen uns natürlich ausgiebig Zeit für ausführliche Besichtigungen, bevor wir die
heutige Etappe an der Ammerwald-Alm, einem kleinen Gasthof knapp hinter der österreichischen Grenze, beenden.
Wir bleiben noch ein wenig in Österreich, radeln auf kleinen Landstraßen am Plansee vorbei ins Lechtal nach Reutte
und von da noch ein Stückchen flussaufwärts. In Weißenbach verlassen wir das Tal wieder und fahren auf der Bundesstraße
über Nesselwängle und den Gaichtpass, die Wasserscheide zwischen Lech und Vils, zum Haldensee am Beginn des
Tannheimer Tals. Das verlassen wir kurz danach wieder und radeln in einem
weiten Bogen durch die Tannheimer Berge über Pfronten nach Füssen. Dort sind wir nach diesem
landschaftlich sehr reizvollen 'Umweg' wieder im Lechtal.
Romantische Straße Füssen – Würzburg
Füssen - Hohes Schloss
Als einer der Endpunkte der Romantischen Straße bietet Füssen gleich eine ganze Reihe von touristischen
Highlights, dadurch ist die Stadt auch recht gut besucht. Wir nehmen uns ein wenig Zeit für die malerische
Altstadt, das 'Hohe Schloss' und den Lechfall, bevor wir dem Touri-Auftrieb wieder entfliehen. Am Lech entlang
radeln wir zum Forggensee, einem Stausee des Lechs. Dort können wir in einem Strandcafé den für uns obligatorischen
Nachmittagskuchen genießen; vom gegenüberliegenden Seeufer, im Dunst kaum erkennbar, grüßt uns Neuschwanstein…
Dem Verlauf des Lechs folgen ab Füssen bis Donauwörth drei Radfernwege: die D-Route 9 – die hier an der
Romantischen Straße entlang führt, die Via Claudia Augusta – eine alte Römerstraße, und der Lechradweg
– der sich möglichst eng an den Fluß hält. Teilweise nutzen die Fernwege dieselbe Trasse, teilweise
trennen sie sich auf. So besteht mehrmals die Wahl, dem einen oder dem anderen zu folgen, wenn man sich nicht
auf einen bestimmten festgelegt hat. Man kann somit längere Stücke direkt am Lechufer entlang radeln,
dann aber auch wieder abseits davon. Wir fahren zunächst über kleine Landstraßen westlich des Lechs bis
Schongau, nehmen uns dort etwas Zeit für die gut erhaltene historische Altstadt und die noch fast vollständig
intakte Stadtmauer.
Ab Schongau bleiben wir dann auf der D9-Route; zunächst bis Landsberg, wo uns wieder eine sehenswürdige
Altstadt erwartet. Nachdem wir unter anderem das historische Rathaus, den Hauptplatz mit dem Marienbrunnen
und dem Schmalzturm, sowie die ehemaligen Salzstadel gebührend gewürdigt haben, geht es auf der D9-Route
weiter Richtung Norden. Die Radroute verläuft hier auf verkehrsarmen Wegen gemeinsam mit dem Lechradweg
in Lechnähe, häufig durch Auwälder.
Augsburg: Goldener Saal
Durch den Augsburger Stadtwald kommen wir schließlich zu unserem nächsten großen Zwischenziel,
Augsburg. Einigermaßen früh am Nachmittag, so ist das historische Rathaus noch geöffnet, und
wir können uns gleich eins der Augsburger Highlights anschauen, den Goldenen Saal. Dieser über und
über mit Gold und üppigen Wandmalereien ausgeschmückte Prunksaal "zählt zu den bedeutendsten
Kulturdenkmälern der Spätrenaissance in Deutschland" (Wikipedia). Er zeigt eindrucksvoll, wie
wohlhabend die Stadt zu dieser Zeit war. Zum ihrem Reichtum trugen insbesondere wichtige Handelshäuser
und Banken bei, die ihren Sitz in Augsburg hatten. Die wohl bekannteste Händlerfamilie waren die
Fugger, Jakob Fugger war mit seinem Handelsimperium im frühen 16. Jahrhundert einer der reichsten Europäer.
Einen Teil seines Reichtums brachte er in verschiedene Stiftungen ein, die auch heute noch bestehen.
Eine davon, die Fuggerei, schauen wir uns am frühen Abend an. Diese Reihenhaussiedlung stiftete
Jakob Fugger 1521, sie ist eine der ältesten bestehenden Sozialsiedlungen der Welt. Bis heute
wird die Siedlung aus dem Stiftungsvermögen unterhalten, und bis heute können dort bedürftige
Augsburger für einen minimale Jahresmiete wohnen. Voraussetzung: katholisch und täglich drei
Gebete für den Stifter. Ob's ihm wohl was hilft?
In einem abendlichen Bummel können wir die weiteren Baudenkmäler der Innenstadt verkehrsarm genießen.
Ein Teil der Maximilienstraße, nach Wikipedia "eine der kunsthistorisch bedeutsamsten Straßen Deutschlands
mit Bauten der Gotik, der Renaissance, des Rokoko, Neoklassizismus und der Nachkriegsmoderne", wurde von
der Stadt als Fußgängerzone ausgewiesen, und so kann man dort recht entspannt bummeln. Leider musste die
Stadt das ein paar Wochen später aufgrund einer Klage von zwei Anwohnern wieder rückgängig machen. Schade!
Harburg
Von Augsburg aus nordwärts radeln wir auf dem Lechradweg, der hier, meist zwischen Lech und
Lechkanal, ziemlich direkt am Fluss verläuft. Das wird nach einiger Zeit etwas eintönig und
wir wechseln daher zu einem anderen Bach, der Schmutter, die, ein paar Kilometer westlich
vom Lech, ebenfalls nach Norden fließt. Auf verkehrsarmen Landstraßen folgen wir ihr bis
Donauwörth, wo sie in die Donau mündet. Ein paar Kilometer donauabwärts erleidet auch der
Lech das Schicksal aller Flüsse – er mündet. Damit ist dort auch das natürliche Ende
des Lechradwegs gegeben. Da Donauwörth auch ein Endpunkt der Via Claudia Augusta ist, bleibt
uns von der bisherigen Auswahl aus drei Fernradwegen nur noch die D9-Route.
In Donauwörth überqueren wir die Donau und fahren an der Wörnitz entlang bis Harburg,
von dort dann weiter nach Nördlingen. Die Stadt liegt im Zentrum eines flachen Beckens,
das vor etwa 15 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstand. Schon von
weitem ist daher der hohe Kirchturm "Daniel" zu sehen, das Wahrzeichen von Nördlingen.
Selbstverständlich besteigen wir den Turm auch auf unserem Stadtrundgang, um von oben die
Aussicht auf die Altstadt und auf das Umland zu genießen.
Dinkelsbühl: Nördlinger Tor
Über Dinkelsbühl mit seiner gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadt, Feuchtwangen und
Schloss Schillingsfürst erreichen wir Rothenburg ob der Tauber, eines der Highlights
an der Romantischen Straße. Innerhalb der gut erhaltenen Stadtmauer sind dort
alle Häuser in ihrem mittelalterlichen Aussehen erhalten oder – soweit sie durch
Krieg o. Ä. zerstört waren – originalgetreu wieder aufgebaut. Dadurch ist
Rothenburg zu einem bekannten Ausflugsort mit massivem Touri-Auftrieb geworden.
Auch wir zwängen uns mit unseren Rädern durch die mittelalterlichen Gassen, sehen aber
zu, dass wir wieder zügig weiter kommen.
Wir radeln nun auf dem gutausgebauten Taubertalradweg weiter an der Tauber entlang
nach Creglingen. Dort nehmen wir uns natürlich Zeit für den von Tilman Riemenschneider
um 1500 geschnitzten Marienaltar in der in einem Seitental liegenden Herrgottskirche.
Ein Abstecher, der sich lohnt, denn laut Wikipedia ist dies ›eines der wichtigsten
Werke mittelalterlicher Holzbildhauerkunst‹.
Die Weiterfahrt durchs ›Liebliche Taubertal‹ (O-Ton der Touri-Werbung) führt
uns an weiteren Sehenswürdigkeiten der Romantischen Straße vorbei: Weikersheim mit seinem
Schloss, Bad Mergentheim mit seiner sehenswerten Altstadt, Tauberbischofsheim mit seinem
Marktplatz. Kurz nach Tauberbischofsheim verlassen wir das Taubertal und biegen ins
Welzbachtal ab. Über den Welzbachtalradweg und kleine Nebenstraßen erreichen wir schließlich
Würzburg, den Endpunkt der Romantischen Straße.
Würzburg: Alte Mainbrücke und Festung Marienberg
Hier ist wieder eine Fülle von sehenswürdigen Bauwerken zu bestaunen. Ein besonderes
Highlight darunter ist die Würzburger Residenz, der ehemalige Sitz der Fürstbischöfe.
Sie wurde im Spätbarock nach Plänen von Balthasar Neumann erbaut, seit 1981 gehört sie
zum UNESCO-Welterbe. Eindrucksvoll dort insbesondere das riesige
Treppenhaus mit dem größten zusammenhängenden Deckenfresko der Welt. Aber auch die
weiteren Innenräume sind sehr üppig mit Stuck und Malerei ausgestattet, demonstrieren
so den damaligen Reichtum der Würzburger Bischöfe. Nach einem Stadtrundgang lassen wir
den Tag auf der Alten Mainbrücke ausklingen. Sie ist für Autos geperrt und so –
ähnlich der Prager Karlsbrücke – ein abendlicher Treffpunkt für Einheimische und
Touris. Mit dem kleinen Unterschied, dass hier bevorzugt fränkischer Traubensaft
getrunken wird und nicht tschechischer Hopfensaft wie in Prag.
Von Würzburg über die Rhön nach Kassel
Wir radeln von Würzburg aus ein Stück am Main entlang, über Karlstadt bis Gemünden.
Dort verlassen wir den Mainradweg und fahren das Sinntal aufwärts, zunächst auf kleinen
Nebenstraßen, von Zeitlofs bis Wildflecken dann auf der seit 2019 zum Radweg ausgebauten
ehemaligen Trasse der Sinntalbahn. Dieser ›Rhönexpress Bahnradweg‹ führt
– wie wir es von Bahnradwegen gewohnt sind – in angenehmer Steigung bergwärts.
Wasserkuppe
Unterwegs passieren wir das ›Bayerische Staatsbad Brückenau‹, das wir uns
natürlich etwas genauer anschauen müssen. Nach Wildflecken geht es zunächst noch ein Stück
bergauf, anschließend können wir uns auf der kurzen Abfahrt nach Gersfeld am Oberlauf der Fulda
etwas erholen, bevor uns ein längerer Anstieg fordert.
Denn in Gersfeld beginnen die 450 Höhenmeter Auffahrt zur Wasserkuppe. Teils auf Landstraßen,
teils auf Forst- und Feldwegen geht es stetig bergauf, zunächst bis zur Fuldaquelle, dann
durch Heidelandschaft zum Gipfel. Die Wasserkuppe ist die höchste Erhebung der Rhön und auch
der höchste Berg Hessens. Das dortige Segelflugzentrum hat eine mehr als hundertjährige Tradition
und beinhaltet unter anderem die älteste Segelflugschule der Welt. Zur Zeit des Kalten Krieges
wurden hier mehrere Radaranlagen betrieben, die – nahe am Eisernen Vorhang – eine große
strategische Bedeutung für die NATO hatten. Heute steht nur noch eine einzige Radarkuppel als weithin
sichtbares Landzeichen auf dem Gipfelplateau, Radaranlagen sind allerdings nicht mehr in Betrieb.
Auf der Nordseite der Rhön gelingt es uns unschwer, die auf der Südseite mühsam erarbeiteten
Höhenmeter in kurzer Zeit wieder zu vernichten. Nach der rasanten Abfahrt auf der Landstraße
gelangen wir in Rupsroth wieder auf einen Bahnradweg, die ehemalige Trasse der Milseburgbahn,
Milseburgtunnel
die von Fulda nach Hilders führte. Wir folgen dem Milseburgradweg westwärts, durchfahren
dabei unterwegs den Milseburgtunnel, mit knapp 1,2 Kilometern der längste Fahrradtunnel
Deutschlands. Dies erspart uns einige zusätzliche Höhenmeter und einige zusätzliche Kilometer
Umweg. Wegen der im Berginnern ziemlich konstanten kühlen Temperatur dient der Tunnel während
der Wintermonate als Rückzugsort und Schlafquartier für Fledermäuse, ist dann für Fahrräder
gesperrt.
Kurz vor Fulda biegen wir vom Milseburgradweg nordwärts ab und radeln im Haunetal weiter.
Wir folgen dem angenehm zu fahrenden Haunetal-Radweg bis zur Mündung der
Haune in die Fulda in Bad Hersfeld, fahren ab da auf dem Fulda-Radweg weiter bis
Kassel. Von dort bringt uns die Bahn vollends nach Hause –
über Altenbeken nach Essen und nach Osnabrück. Mit den jedes Mal aufs Neue spannenden
verspäteten Umstiegen, die für uns als passionierte Bahnfahrer inzwischen leider zur
Normalität geworden sind ...