Ins kroatische Bergland: Wien – Zagreb – Triest [ 26.05. – 04.06.2018 ]
Nightjet – so nennt die Österreichische Bundesbahn ihre Nachtzüge, die einige Städte im Norden und Westen Deutschlands (u. a. Hannover und Düsseldorf) mit Österreich verbinden. Für Radler eine bequeme Anreisemöglichkeit für Touren im Süden. Wie schon in den Vorjahren erreichen wir damit ‚im Schlaf‘ den Ausgangspunkt unserer frühsommerlichen Radtour. Diesmal Wien, von dort wollen wir es über Zagreb, die Plitvicer Seen, den Velebit, die kroatischen Adriainseln und Istrien bis Triest schaffen.
Im Nightjet gibt es kurz vor Wien noch ein kleines Frühstück, so können wir direkt nach der Ankunft dort auf die Räder und zügig Richtung Süden radeln. Durch Niederösterreich haben wir uns den Radweg entlang des Wiener Neustädter Kanals ausgesucht – gerade richtig zum bequemen ‚Einrollen‘.
Die östlichsten Ausläufer der Alpen – die hier nur noch Mittelgebirgscharakter haben – queren wir in einer ‚Minimal-Transalp‘ über den Wechselpass. Südlich davon fordert uns die Oststeiermark schon etwas mehr mit ihren zahlreichen Weinbergen, bevor wir nach einem kurzen Stück durch Slowenien schließlich Kroatien erreichen. Varaždin am Ufer der Drau ist hier unsere erste Station. Da wir über Nacht bleiben, haben wir am Nachmittag Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang zur alten Burg und durch die historische Altstadt.
Auf dem Weiterweg in die kroatische Hauptstadt kommen wir durch Marija Bistrica, einen der populärsten Marienwallfahrtsorte Kroatiens. Glücklicherweise haben wir einen relativ ruhigen Tag dort erwischt und können die schöne Lage des Ortes in einem Tal inmitten einer waldreichen Gegend ungestört auf uns wirken lassen. Die riesigen Park- und Versammlungsplätze lassen jedoch erahnen, was hier los kein kann, wenn gerade eine Pilgerfahrt stattfindet.
Kurz vor Zagreb gelangen wir auf eine der großen Einfallstraßen, dichter Verkehr begleitet uns bis in die Innenstadt. Zunächst sind wir erstaunt darüber, dass hier alle Radfahrer auf dem Gehweg fahren, erkennen aber schnell, dass das angesichts des Autoverkehrs überlebenswichtig ist, und passen uns an. Die Fußgänger (und auch die Polizei) sind das offensichtlich gewohnt, niemand mokiert sich darüber. Wir übernachten zentrumsnah und können so die Sehenswürdigkeiten des historischen Stadtkerns bequem zu Fuß erkunden.
Froh, dem quirligen Hauptstadtverkehr entkommen zu sein, radeln wir an den nächsten beiden Tagen auf ruhigen Nebenstraßen zunächst nach Karlovac, dann südwärts Richtung Karst. Ab Slunj verläuft unsere Route für einige Zeit entlang der bosnischen Grenze. Der Asphalt geht in groben Schotter über, mehrere Passagen fallen für mich in die Kategorie ‚gerade noch fahrbar‘, Silke zieht es an einigen Stellen vor zu schieben. Hier sind die Folgen des Bosnienkrieges noch deutlich sichtbar – viele Bauernhöfe sind offensichtlich unbewohnt und verfallen daher, an den Häusern erkennt man Einschusslöcher. Auch ist es nicht ratsam, die Straße zu verlassen, um mal schnell ‚in die Büsche‘ zu gehen – nicht etwa, um keinem der hier lebenden Bären zu begegnen, sondern wegen der zahlreichen noch nicht geräumten Landminen im Grenzgebiet.
Noch ein kurzes Stück auf der Hauptstraße, dann haben wir den Nationalpark Plitvicer Seen erreicht. Sechzehn Seen sind hier canyonartig in den Kalkstein eingeschnitten, verbunden durch zahlreiche malerische Wasserfälle. Die Seen wurden 1979 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen und gehören mit etwa einer Million Besuchern pro Jahr zu den Hauptsehenswürdigkeiten Kroatiens. Wir übernachten direkt an den Seen und können dadurch – am Spätnachmittag und frühmorgens – dem Haupttrubel entgehen. Bevor die vielen Touristenbusse anrollen, sitzen wir wieder auf unseren Rädern.
Westlich der Plitvicer Seen radeln wir auf einsamen Straßen durch das wohl am dünnsten besiedelte Gebiet Kroatiens. Während der Wirren der Jugoslawienkriege hatten die dort lebenden Serben einen eigenen Staat gegründet, die Republik Serbische Krajina, vertrieben oder ermordeten die dort lebenden Kroaten, bevor sie ihrerseits nach dem Sieg der kroatischen Armee vertrieben oder ermordet wurden. Erst am Westrand dieser Region, in Tal der Gacka, scheinen noch Leute zu wohnen.
Von Otočac, dem Hauptort im Tal, geht es wieder bergauf durch die Wälder des Velebit-Gebirges, auch hier stört uns kein Autoverkehr. Auf dem Gebirgskamm prüfen noch zehn Kilometer Schotterstraße unser Durchhaltevermögen, bevor wir die Passhöhe des Veliki Alan erreichen, laut quaeldich.de mit gut 1400 m der höchste Pass Kroatiens. Die Abfahrt von dort zur Küste ist dann nur noch Genuss – das Sträßchen ist zwar schmal und kurvenreich, aber griffig asphaltiert. Es kostet einige Überwindung, die Fahrt hin und wieder zu unterbrechen, um sich etwas Zeit für die phantastische Aussicht auf die Küste und die vorgelagerten Inseln zu nehmen.
Nach einem kurzen Bad in einer einsamen Bucht setzen wir mit der Fähre auf die Insel Rab über; am nächsten Tag geht es per Fähre und Fahrrad weiter über Krk und Cres nach Istrien. Von Triest aus bringt uns die Bahn zurück nach Hause, ab Innsbruck wieder der ÖBB-Nightjet.