Flüsse, Kanäle und Berge in der Wallonie  [ 03.06. – 11.06.2023 ]

Die belgische Region Wallonie hat ein umfangreiches Routennetz entwickelt, das auf stillgelegten Bahntrassen, Treidelpfaden und anderen autofreien Wegen die gesamte Region für Wander-, Reit- und Radverkehr erschließt. Dieses ›Réseau Autonome de Voies Lentes‹ (RAVeL) nutzten wir als Basis für unsere Radrunde durch den Südosten Belgiens. Die Tour führte zunächst überwiegend flach an Flüssen und Kanälen entlang – an Maas, Ourthe und Sambre zum ehemaligen belgischen Kohlerevier um Charleroi und von da an Molignée, Maas und Semois in die Ardennen. Dort und vor allem auf den Schlussetappen durch die Eifel wurde es dann allerdings deutlich 'hügeliger'.

[ Landkarte zur Tour ]   [ Alle Bilder ]

Mönchengladbach – Roermond – Maastricht Unsere Planung sah vor, frühmorgens mit der Bahn bis Venlo zu fahren und dort zu starten. Am Vorabend merkten wir dann, dass die Bahnstrecke nach Venlo wegen Bauarbeiten geperrt war und der in der Fahrplanauskunft vermerkte Schienenersatzverkehr natürlich keine Fahrräder transportierte. So mussten wir schnell umplanen, fuhren stattdessen mit der Bahn bis Mönchengladbach und starteten dort.
Rathaus in Maastricht Weitere Bilder

Rathaus in Maastricht

Die relativ gesichtslose Gegend zwischen Niederrhein und Maas lassen wir ohne große Umwege möglichst rasch hinter uns, um Roermond zu erreichen. Dort ist gerade Markt, daher eine Menge los, und wir kommen nur im Fußgängertempo durch die Innenstadt zur Maas. Der 'Fluss' ist hier eine ausgedehnte Seenlandschaft, durch Kiesabbau sind zahlreiche miteinander verbundene Seen entstanden. Diese ›Maasplassen‹ sind zum größten Binnen-Wassersportgebiet der Niederlande geworden. Wir durchqueren das Seengebiet auf der LF Maasroute, einem gut ausgebauten Radweg, der zum niederländischen Fernradwegenetz ›Langeafstand Fietsroutes‹ gehört. Weiter südlich markiert die Maas die Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden. Gut ausgebaute Fernradrouten gibt es nun auf beiden Seiten des Flusses, und wir wechseln unterwegs auf die belgische Seite. Kurz vor Maastricht sind wir dann wieder in den Niederlanden.
In Maastricht hatten wir eine preisgünstige, trotzdem zentral gelegene Unterkunft gefunden: Das ›Botel‹, ein zum Hostel umgebautes Flussschiff, das am Maasufer verankert ist. Die Kabinen dort sind natürlich nicht besonders geräumig, aber wenn man schlank, nicht allzu groß und noch einigermaßen gelenkig ist, kann man's dort ganz gut aushalten. In 10 Minuten ist man im Zentrum, und so machen wir am Spätnachmittag noch einen ausgedehnten Spaziergang durch Maastrichts Innenstadt.
Maastricht – Lüttich – Durbuy Bis Lüttich bleiben wir an der Maas, radeln teilweise direkt an der Maas entlang, teilweise am hier parallel zur Maas verlaufenden Albert-Kanal. Nach einer raschen Runde durch Lüttichs Innenstadt wechseln wir an die Ourthe, die bei Lüttich in die Maas mündet.
An der Ourthe Weitere Bilder

An der Ourthe

Die Ourthe ist der wasserreichste Nebenfluss der Maas, sie hat sich ein windungsreiches Tal in die nördlichen Ausläufer der Ardennen gegraben. Eine gut ausgebaute Radroute folgt diesen Windungen, sie verläuft verkehrsarm meist direkt am Flussufer. Wir radeln auf dieser Route bis Durbuy, unserem heutigen Ziel. Unterwegs ragen immer wieder schroffe Felsen am Ufer auf, für Kletterbegeisterte ganz offensichtlich ein ideales Übungsgelände. Dazwischen – dort, wo sich das Tal verbreitert – fahren wir durch reizvolle kleine Ortschaften, und von den Anhöhen am Tal grüßen uns unterwegs malerische Châteaus. Durbuy, unser Ziel, hat beides, einen reizvollen mittelalterlichen Stadtkern mit engen Gassen und ein Château. Es ist daher gut besucht, zumal es von der Tourismusindustrie als ›kleinste Stadt der Welt‹ beworben wird. Fast alle Touris sind jedoch Tagestouris – mit dem Auto sind es von Lüttich oder Namur nur jeweils eine Dreiviertelstunde –, so hat man beim Abendessen seine Ruhe.
Durbuy – Namur – Sambreville In Durbuy verlassen wir den angenehmen Radweg an der Ourthe und erklimmen auf kleinen Landsträßchen die Ardennenhochebene. Hier geht es in stetem Auf und Ab durch dünn besiedelte, landwirtschaftlich geprägte Landschaft. Ab Les Avins wird es dann wieder angenehmer, wir können auf der zum Radweg
Sambre bei Floreffe Weitere Bilder

Sambre bei Floreffe

ausgebauten ehemaligen Bahntrasse im Hoyoux-Tal fahren, gleichmäßig leicht bergab bis kurz vor Huy an der Maas. Nach kurzer Mittagspause dort radeln wir an der Maas entlang weiter bis Namur. Unterwegs passieren wir die direkt an der Maas steil aufragenden Klippen von Marche-les-Dames – beliebte Kletterfelsen, die dadurch Berühmtheit erlangten, dass der belgische König Albert I. dort tödlich abstürzte.
Auf eine ausführliche Stadtbesichtigung verzichten wir in Namur, 'gönnen' uns stattdessen die Auffahrt zur Zitadelle. Von dort genießen wir die weite Aussicht auf die Stadt und auf den Zusammenfluss von Sambre und Maas. Unser Weiterweg führt an der Sambre entlang, heute bis Sambreville. Die Radroute verläuft etwas eintönig meist direkt am Fluss, der hier kanalartig ausgebaut ist. Eine angenehme Abwechslung bietet ein kurzer Abstecher zur Abtei Floreffe über dem Tal. Die schlossartige Abtei wurde im 12. Jahrhundert vom Prämonstratenserorden gegründet; nach der Aufhebung des Klosters im 19. Jahrhundert wurde dort vom Bistum Namur eine Internatsschule eingerichtet, die auch heute noch besteht.
Sambreville – Canal du Centre – Lobbes Wir folgen noch bis Châtelet den Windungen der Sambre, auch hier liegt die Radroute meist direkt am Ufer. Dann geht es durch die nördlichen Vororte von Charleroi zur nächsten Wasserstraße, dem Kanal Charleroi-Brüssel. Der RAVeL-Route, die da entlang führt, folgen wir bis zur Einmündung des Canal du Centre bei Seneffe.
Schiffshebewerk Weitere Bilder

Schiffshebewerk am Canal du Centre

Der Canal du Centre wurde Ende des 19. Jahrhunderts als Verbindung zwischen den Flusssystemen von Maas und Schelde geplant, nach längerer Bauzeit dann 1917 fertiggestellt. Ein Problem beim Bau war, dass auf einer Strecke von knapp sieben Kilometern ein Niveauunterschied von 66 Metern überwunden werden musste. Zum sinnvollen Betrieb von Schleusen gibt es aber nicht genug Wasser in der Gegend. Daher wurden vier hydraulische Schiffshebewerke eingeplant und gebaut. Diese Hebewerke sind auch heute noch betriebsfähig, werden aber nur noch selten genutzt, seit 1998 gehören sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Da die historischen Hebewerke nicht für 'Europaschiffe' geeignet sind, wurde Ende des vergangenen Jahrhunderts ein neues Teilstück des Canal du Centre gebaut mit einem einzigen Hebewerk, das den Niveauunterschied in einem Schritt überwindet. Seit dessen Fertigstellung ist der ›Canal du Centre historique‹ nur noch touristisch interessant. Wir wollen uns natürlich die historischen Hebewerke ansehen und radeln daher ab Seneffe am alten Kanalverlauf entlang. In Thieu treffen sich Alt und Neu, nicht weit davon liegt das neue Hebewerk, das wir uns selbstverständlich auch nicht entgehen lassen. Gigantisch im Vergleich zu den demgegenüber recht zierlich wirkenden alten Hebewerken. In Thieu haben wir den westlichsten Punkt unserer Tour erreicht, wir verlassen dort den Kanal und wenden uns südostwärts. Zunächst auf der Landstraße bis Trivières, ab da dann auf ehemaligen Bahntrassen über Binche nach Lobbes.
Lobbes – Maredsous – Givet In Lobbes sind wir nochmals an der Sambre angelangt und können mal wieder ein gutes Stück flach ›am Bach entlang‹ radeln. Nach einem landschaftlich reizvollen Abschnitt mit diversen Flussmäandern erreichen wir Charleroi.
Schiffshebewerk Weitere Bilder

Dinant an der Maas

Hier war zur Blütezeit der europäischen Montanindustrie ein Zentrum der belgischen Kohleförderung und Stahlerzeugung, etwa vergleichbar mit dem Ruhrgebiet in Deutschland. Wir passieren immer wieder Industriebrachen mit Fabrikruinen, die an diese Zeit erinnern. Viele Baustellen zeigen, dass der Strukturwandel hier noch nicht abgeschlossen ist. Durch die Baustellen ist es ab und an auch schwierig, die optimale Radpassage zu finden, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht versehentlich auf einer verkehrsreichen Hauptstraße landen. Ab Châtelet können wir das Ballungsgebiet hinter uns lassen, auf der Trasse der ehemaligen Bahnstrecke Châtelet-Gerpinnes fahren wir südwärts, verlassen die Trasse aber kurz vor ihrem Ende. Ein kurzes Stück Landstraße, dann haben wir bei Mettet wieder eine Bahntrasse erreicht, auf der wir an der Molignée entlang bis zur Maas kommen. Unterwegs wollen wir das Benediktinerkloster Maredsous ansehen, merken aber irgendwann, dass es plötzlich hinter uns liegt. Was war los? Das Kloster liegt auf einer Anhöhe über dem Molignée-Tal, und diese Kuppe hatten wir durch einen Bahntunnel unterquert. Also rasch zurück …
An der Maas angekommen machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Norden, um uns die Wassergärten von Annevoie anzusehen. Wikipedia meint dazu: ›Die im 18. Jahrhundert angelegten Jardins d'Annevoie sind die einzigen Wassergärten in Belgien, mit Perspektiven im französischen Stil, Fantasie im englischen Stil und intimem Charme im italienischen Stil‹. Durchaus lohnenswert, wir nehmen uns Zeit für einen langen Spaziergang an den Wasserspielen entlang. Beeindruckt radeln wir anschließend wieder südwärts an der Maas entlang, erreichen Dinant und dann unser Tagesziel, Givet, das schon in Frankreich liegt.
Givet – Monthermé – Alle Von Givet aus fahren wir noch ein Stück weiter Richtung Süden, bleiben dabei auf dem zur Radroute ausgebauten ehemaligen Treidelpfad an der Maas. Dies ist wohl der landschaftlich schönste Teil des
Schiffshebewerk Weitere Bilder

Eisenbahnviadukt über die Maas bei Anchamps

Maas-Radwegs, die Maas hat sich hier in zahlreichen Mäandern durch die Ardennen gegraben, so ist ein enges Tal zwischen bewaldeten Hängen entstanden. Als ›La Voie Verte Trans-Ardennes‹ beworben, wurde dieser Abschnitt von der Tourismusmesse ›Fiets en Wandelbeurs‹ 2010 als ›Fietsroute van het Jaar‹ ausgezeichnet.
Wir bleiben bis Monthermé auf der ›Voie Verte‹, biegen dort dann in das Semois-Tal ab. Auch dies malerisch eng und windungsreich in die Ardennenlandschaft eingeschnitten. Allerdings ist die Semois weniger kanalisiert und deutlich einsamer als beispielsweise die Maas, daher ideal geeignet zum Kanufahren und Angeln. Nach einigen Flussschleifen haben wir in Bohan wieder Belgien erreicht, die RAVeL-Route verläuft hier meist direkt am Fluss entlang teilweise auf der Landstraße, teilweise auf ehemaligen Bahntrassen. Über Nacht bleiben wir in einem schön gelegenen einsamen Landgasthof in der Nähe von Alle, der allerdings leider kein Abendessen anbietet. So müssen wir abends nochmals unsere Pferde satteln, um in der nächstgelegenen Ortschaft an Futter zu kommen.
Alle – Bouillon – Bastogne Ab Alle flussaufwärts wird das Semoistal enger und windungsreicher, für Kanu-Touris sicher ideal, nicht jedoch für uns. Denn für Radweg oder Landstraße ist im Tal nun kein Platz mehr. So ist es leider vorbei mit der eher gemütlichen ›Radelei am Bach entlang‹.
Bouillon Weitere Bilder

Bouillon an der Semois

Stattdessen fordert uns ein erster Aufstieg auf einen Bergrücken, der in einer Flussschleife liegt. Schöne Ausblicke auf den Fluss entschädigen uns unterwegs natürlich für die Anstrengung. Anschließend wieder runter ins Tal, in Poupehan überqueren wir die Semois, um auf der gegenüber liegenden Seite gleich wieder hoch zu klettern. In Corbion erreichen wir den Col de Corbion, einen Bergpass, der auch bei Quäldich ausführlich gewürdigt wird [https://www.quaeldich.de/paesse/corbion-pass/]. Eine rasante Abfahrt bringt uns wieder zum Fluss, den wir bei Bouillon erreichen. Auf einem Höhenrücken in einer engen Flussschleife liegt dort der Stammsitz der Herzöge von Bouillon, eine der größten befestigten Burgen Belgiens, deren Ursprünge mehr als tausend Jahre zurückreichen. Berühmt im Zusammenhang mit der Burg ist der frühmittelalterliche Kreuzfahrer Gottfried, der während des Ersten Kreuzzugs Jerusalem eroberte und ein Jahr lang dort König war. Mit der gleichnamigen nahrhaften Brühe haben Ort und Kreuzfahrer allerdings nichts zu tun.
In Bouillon verlassen wir die Semois und klettern einen weiteren Pass hoch, den Col du Saty, auch er bei Quäldich verzeichnet [https://www.quaeldich.de/paesse/col-du-sati/]. Ab da bleiben wir auf der Ardennen-Hochfläche, radeln in stetigem leichten Auf und Ab bis Libramont. Dort beginnt eine RAVeL-Route, die auf einer stillgelegten Bahntrasse nach Bastogne führt. Leider aktuell noch ›Pre-RAVeL‹, das heißt kein Asphalt, aber als steigungsarme Schotterpiste auch recht angenehm zu fahren. Beim Abendessen am historischen Marktplatz von Bastogne wundern wir uns zunächt über die zahlreichen Autos aus Luxemburg, machen uns dann aber klar, dass die luxemburgische Grenze nicht mal zehn Kilometer entfernt ist und man daher zum Abendessen rasch mal nach Belgien fahren kann.
Bastogne – Prüm – Gerolstein In der Gegend um Bastogne spielte sich im Winter 1944/45 eine der letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs ab, die Ardennenoffensive. Für die USA war es mit rund 20000 Toten die blutigste Schlacht des Krieges.
Mardasson-Memorial Weitere Bilder

Mardasson-Memorial

Zum Gedenken daran wurde 1950 auf einem Hügel nordöstlich von Bastogne ein Denkmal mit dem Grundriss eines riesigen fünfzackigen Sterns errichtet, das Mardasson-Memorial. Bevor wir weiterfahren, machen wir einen kurzen Abstecher dorthin.
Unser Weiterweg führt steigungsarm auf dem hier asphaltierten Teil der ehemaligen Bahntrasse Libramont-Bastogne-Gouvy bis kurz vor Gouvy. Dann verlassen wir die angenehme RAVeL-Route und durchqueren auf kleinen Landstraßen den nördlichsten Zipfel Luxemburg, um zur nächsten Bahntrasse auf unserer Route, der Vennbahn, zu kommen. Nach knapp 20 km, zwischen Burg-Reuland und Sankt-Vith, wechseln wir auf die Trasse der ehemaligen Westeifelbahn, auf der wir Prüm erreichen. Hier ist der Bahntrassengenuss leider zu Ende, die Strecke zwischen Prüm und Gerolstein ist noch nicht als Radweg ausgebaut. Daher geht es nun – deutlich hügeliger – auf Landstraßen vollends bis zu unserem heutigen Tagesziel, Gerolstein.
Gerolstein – Monreal – Koblenz Unser letzte Tagesstrecke führt ostwärts durch Hocheifel und Vulkaneifel zur Mosel.
Monreal Weitere Bilder

Monreal, Fachwerkhäuser am Elzbach

Nicht gerade steigungsarm gelangen wir von Gerolstein über Landstraßen zum Elzbach, können da ein Stück weit, bis Monreal, erholsam im Tal radeln. Nach einer Besichtigungspause dort geht es allerdings wieder bergauf, über eine Bergkuppe kommen wir nach Mayen. Anschließend wieder ein stetes Auf und Ab, bis wir endlich die rasante Abfahrt ins Moseltal zum Koblenzer Vorort Güls erreichen. Die Mosel überqueren wir auf einem schmalen Radweg an der Gülser Eisenbahnbrücke und sind kurz danach am Koblenzer Hauptbahnhof. Von dort bringt uns die Regionalbahn nach Hause. Überraschenderweise ohne größere Verspätung.